T.I.M.E Stories
Erlebnisbericht zum ersten eigenständigen Szenario „Der Marcy Fall“
Erlebnisbericht zum ersten eigenständigen Szenario „Der Marcy Fall“
Vier unerschrockene meeplover wagten sich nach dem Grundspiel und geteilten Meinungen an das erste Erweiterungsschächtelchen „Der Marcy Fall“. Wir wissen: Es soll uns ins Jahr 1992 verschlagen, Marcy muss gefunden werden. Eine rote Audiokassette veredelt die weiße Spielschachtel und versprüht herrlichen Retro-Charme. Alle Spieler der Runde sind Kinder der Nineties und entsprechend groß ist deren Vorfreude. Die Erweiterungsbox beinhaltet 135 Karten. Wie auch schon im ersten Szenario erhalten wir von unserer Company und dem gutgelaunten Chef ein paar Anweisungen und Fakten zu unserer Mission. Hier bereits der erste Kritikpunkt: die bereitgestellten Informationen sind sehr spärlich und lassen nicht wirklich erahnen, wohin die Reise gehen soll. Wer genau ist Marcy? Warum suchen wir Sie? Doch die Freude auf ein neues Abenteuer überwiegt!
Wir steigen in unsere Kapseln und… Zack…finden uns in dem verschlafenden amerikanischen Kleinstädtchen Rhinefield wieder. Verschlafen? Wohl eher verwest. Schnell merkt unser Team (dabei stecken wir in den Körpern unserer Wirte), dass hier etwas nicht stimmt und wir klappern die Stadt und die umliegenden Gebiete ab. Denn wir müssen ja schließlich die ominöse Marcy finden. Diesmal gibt es eine wesentlich bessere Ortsstruktur als noch im Grundspiel. Positiv! Außerdem – wieder – sehr spannend und innovativ, stellen sich die ersten 60 Minuten des Gameplays heraus. Wir treffen neue Menschen, führen interessante Gespräche und finden allerlei Nützliches. Nach unserer ersten gespielten Stunde wissen wir immer noch nicht wohin die Reise geht. Hier werfe ich auch gleich das mitunter größte Hinkebein von „T.I.M.E. Stories“ in den Raum: das Spiel schafft leider nicht den Spagat zwischen Rollenspiel und Brettspiel. Die Spieler bringen sich durch Austausch von Erlebnissen und Meinungen stark in das Geschehen ein, knallen aber dann doch vor ein relativ unbewegliches Story-Konstrukt und aus einem spannenden Abenteuer wird schnell ein „In welcher Reihenfolge puzzeln wir die Teile jetzt aneinander – Type of Game“. Nach 2/3 der Spielzeit verliert „T.I.M.E. Stories“ (passierte uns auch im Grundspiel) die Spannung, Atmosphäre sowie Thematik und das Endszenario kommt daher, wie ein paar Clowns in einem Mini-Cooper. Ganz nett anzusehen, aber irgendwie unpassend.
Wir diskutieren viel, tauschen uns aus. Werfen vier Meinungen und Impressionen in einen Topf. Dort köcheln Sie dann auch den Rest des Spieles vor sich hin, denn nach 90 Minuten verliert sich unser Team irgendwie…. Es mag dem „Folgen einer falschen Fährte“ oder einfach der fehlenden kooperativen Kommunikation geschuldet sein, aber eine gemeinsame Linie finden wir in diesem Szenario nicht mehr. Der „Marcy Fall“ bietet mehr Kampf-Action als „Die Nervenheilanstalt“, aber leider sind wir beim Durchladen unserer Waffen so mit uns selbst beschäftigt, dass wir vergessen uns miteinander zu beratschlagen. (Dabei entfällt uns übrigens auch, dass man besiegte Gegner nicht noch ein zweites und drittes Mal zu Brei schlagen muss – ein Kardinalfehler, der das Spiel noch schwerer und länger für uns werden lässt.) Entsprechend tragen wir in Stunde sechs nur noch Bruchstücke von Informations-Puzzleteilen zusammen um dann im vierten Anlauf doch kläglich an den Anforderungen der Mission zu scheitern. Wir hatten uns die buchstäbliche Waschmaschine aufschwatzen lassen, weil wir nicht das Kleingedruckte des Vertrags gelesen haben. What a shame!
Die Lust es noch weiter zu probieren: verschwindend gering bis nicht vorhanden. Bei mir als Artwork-Liebhaberin kam noch hinzu, dass mir das Design des Kartendecks missfiel. Nachdem man die Karten des Decks gefühlt 50 x gesehen hat, möchte man einfach nicht nochmal eine Runde durch die bekannten Ortschaften drehen. Auch in diesem Szenario hatten die Autoren klare „Vorbilder“ an denen sich die Story orientiert. Das finale Missionsziel fällt aber etwas lahm aus. Hier hätten wir uns eine größere Überraschung/Rätselbaustein gewünscht.
Von den Neunzigern ist nichts zu spüren. Lediglich der „Nirvana“-Song, den wir beim Spielaufbau laufen ließen, verströmte ein wenig Nineties-Feeling. Fragt mich nicht, was wir erwartet haben. Buffalotragende Technojünger mit Adidas-Knopfhosen, die Tamagochis züchten und dabei Unmengen an BumBum-Eis verdrücken? Sicher nicht; aber ein wenig mehr Flair wäre für den zweiten „T.I.M.E. Stories“ Fall erstrebenswert gewesen. Ach ja und die Audiokassette (das einzige Relikt dieser Zeit) ist mit der Grund dafür, dass wir den Fall am Ende doch nicht gelöst haben.
Der „Marcy Fall“ ist besonders geeignet für Fans von Games wie „Resident Evil“, Serien wie „The Walkind Dead“, rothaarigen Frauen (die haben eine riesige Fan-Base da draußen), Panzerfäusten und Comics.
Nachtrag: mit einigem Abstand betrachtet und nach dem Spielen aller bisherigen Fällen (bis zur „Endurance Expedition“), war Marcys Geschichte und dessen Umsetzung für uns das bisher beste Szenario der TS-Reihe, auch wenn das Thema mittlerweile leicht abgegriffen ist. Auch die Illustrationen sind wirklich gelungen! Das Erlebte musste wohl einfach ein wenig sacken um uns am Ende nochmal klar sehen zu lassen. Besser spät als nie!