Eric M. Lang
The Others – Kann denn spielen Sünde sein?
Neben Brettspielen liebe ich Filme. Je blutiger und ausgefallener desto besser. Ein Film, der mir sehr stark im Gedächtnis hängen blieb, war 1995 der Thriller “Sieben”. Hier mordete sich ein Serienkiller ganz kreativ durch alle sieben Todsünden. Alleine beim Zurückdenken an die Schluss-Sequenz stellen sich mir die Nackenhaare auf. Wahnsinnig intensiver und beklemmender Film mit Starbesetzung. Dieses Gefühl der Spannung und Unbehaglichkeit transportiert uns “The Others” von CMON seit 2017 wieder auf den Spieltisch.
In der postapokalyptischen Stadt Haven ist die Kacke mächtig am Dampfen. Die sieben Todsünden geistern in Form von monströsen Abnormitäten und durchgeknallten bösen Hervorkömmlingen durch die Straßen der Stadt und keiner ist vor deren Wahnsinn sicher.
Die Mission der Spieler ist es, dem Bösen die Stirn zu bieten und gegen eine der sieben Sünden anzukämpfen. Dabei bilden bis zu vier Spieler eine Gruppe um sich dem mächtigen Gegenspieler zu widersetzen. Wie das in einem guten Team so ist, sind hier unterschiedliche Typen zusammengewürfelt. So gibt es den Mann für alle Fälle an der Front und die nicht ganz so starken Fernkämpfer. Und was wäre eine gute Unit ohne einen Anführer. Richtig – eine gute Unit ohne einen Anführer.
Der Feind hört mit.
The Others ist ein semi-kooperatives Miniaturen-Spiel mit Overlord und einer sogenannten “Exploding Dice” Mechanik. Bei einem Overlord-Spiel gilt die Devise: Einer gegen alle. Viel überschwänglicher Szene-Jargon, wenig dahinter? Stimmt nicht! Denn “The Others” wartet mit so viel Abwechslungsreichtum auf, dass einem Hören und Sehen vergeht. Neben zig Miniaturen und ein paar Ermittler-Teams gibt es neben den sieben Todsünden auch je Sünde unterschiedliche Spielmodi. Drei Stück an der Zahl. (Teile davon kommen erst durch den Zukauf von Erweiterungen ins Spiel) Das nennt man vorbildlich. Die Maßlosigkeit (auch eine der sieben Sünden) hat sich CMON bei “The Others” groß auf den Zettel geschrieben. Wer die begleitenden Bilder zum Artikel sieht, könnte sich an Zombicide erinnert fühlen. Das ist auch kein Wunder, da Zombicide vom selben Verlag stammt. Allerdings hat es mit “The Others” reichlich wenig gemeinsam.
Fies, gemein, überwältigend – Im Sündenpfuhl wird eine Menge gewürfelt.
Die Spieler entscheiden sich für einen der drei Spielmodi Terror, Demnation oder Redemption sowie für eine der sieben Sünden und lassen sich von der Story durch das Spiel führen. Diese Geschichte bestimmt sowohl Aufbau als auch Missionsziele. Hier müssen die Spieler zwischen drei und fünf unterschiedliche Aufgaben erfüllen, ohne dabei ihr Team an die Mächte der Sünde zu verlieren. Gelingt ihnen dies nicht bevor die Apokalypse eintritt oder zu viele Team-Mitglieder bei dem Versuch gestorben sind, kann die Todsünde die Macht über die Stadt Haven übernehmen und alle Spieler verlieren vorzeitig. Während des Spielablaufs stellt sich die Truppe diversen Monstern, welche mit einem Würfelmechanismus bekämpft werden. Nur durch die richtige Kombination von Waffen und Würfelglück, lässt sich dem Bösen Einhalt gebieten. Hier ist vor allem Teamgeist und Abstimmung gefordert. Aber Vorsicht! Der Gegner hört mit und kann nach dem Zug eines jeden Spielers seine berüchtigten Reaktionschips nutzen um seine Monster und Sünden auf die Spieler zu hetzen. Kommt es durch Sünde oder durch Spieler zu einem Kampf werden Würfel geworfen. Auf beiden Seiten gibt es dabei ein Symbol, mit dem ein weiterer Würfel in den Kampf eingebracht werden muss. So ist es theoretisch möglich mit einem Stock solange auf den Feind einzudreschen, bis dessen Hirnmasse sich über die Straßen vergießt. Natürlich nur im übertragenen Sinne. The Others ist ein abwechslungsreiches Würfel- und Miniaturenspiel, das für unterhaltsame Spielmomente sorgt und dank seiner Familienunfreundlichen Thematik wahrlich Horror auf den Tisch bringt.
Einige Brettspieler scheuen sich vor Overlord-Games, da Sie die Art der Übermacht des Overlords als besonders demütigend empfinden. Die meisten Runden scheitern auch daran, dass keiner sich dazu berufen fühlt den bösen Strippenzieher zu mimen. Um einen Overlord zu Spielen benötigt es neben Regelfestigkeit auch die nötige Portion Selbstbewusstsein. Wer eine Gruppe findet, in denen die Neugier größer ist als die Angst, wird mit “The Others” einen sündigen Höllentrip erleben, der neben Spaß, Taktik und einer großen Portion Teamgeist auch den postapokalyptischen Würfelgeist anregt.
Die schlimmste aller Todsünden ist wohl der Neid. Nichts macht einen Menschen hässlicher als der Neid, der sich wie ein graues Tuch über seine Seele legt. Gönnt euren Mitmenschen und Freunden daher jedes Glück, dass ihnen widerfährt! Ja, auch neue Brettspiele und natürlich “The Others”