Consentacle
Liebe kennt keine Grenzen
Liebe kennt keine Grenzen
Da ich in den neunziger Jahren ein riesiger Caught in the Act Fan war ging es seinerzeit an mir vorüber, als die Kelly Family aus vollem Leibe “I´m in love with an alien” sang. Verliebt in ein Alien, verliebt in die Augen dieses fantastischen Individuums. Allen Unkenrufen zum Trotze war die verlotterte Gesangskombo damit sehr erfolgreich und viele Jahre später sollte es diese Thematik sogar auf den Spieltisch schaffen. Völlig legitim, wenn man bedenkt, dass es sogar Menschen gibt, die in Waschmaschinen oder Dampfloks verliebt sind und sich nach der Nähe zu diesen Gegenständen völlig verzehren. Müsste ich mir einen Gegenstand aussuchen in den ich mich verlieben könnte, wäre das mein 2 Meter langer Schiffsplanken-Tisch im Wohnzimmer. Der ist aber auch eine wahre Schönheit und jedes Brettspiel findet darauf Platz.
Geht es um das Thema Intimität und erotische Anziehung, fangen viele mit herumdrucksen an und selbst gestandene Kerle verfallen bei der Frage nach Ihren sexuellen Vorlieben in pikiertes Gekichere.
Verliebt in ein Alien also? Ja, die Liebe ist bereits so stark, dass es sich darum dreht mit dem Außerirdischen Wesen eine sexuelle Beziehung zu führen. Die Crowdfunding Plattform Kickstarter macht es möglich. Genauer gesagt, die Autorin Naomi Clark, die mit “Consentacle” ein wahres Fest fürs Auge geschaffen hat. Taugt es auch für einen Rausch der Sinne und als gutes Brettspiel?
Consentacle ist ein Kartenspiel für 2 Personen bei dem wir eine sexuelle Liebesbeziehung zu einem Wesen aus einer fremden Galaxie eingehen.
Ein Spieler mimt dabei den Mensch und ein anderer schlüpft in die Rolle des Alien. Beiden Spielern stehen jeweils ein Kartendeck und ein Vorrat an Vertrauens-Markern zur Verfügung. Nun hat man die Qual der Wahl wie man Consentacle gerne spielen möchte. Spricht man miteinander, oder tauscht man nur süffisante Blicke aus. Gestikuliert man wild oder zieht man sich eine Sonnenbrille auf und macht einen auf Las Vegas Profi. (Die Variante mit den Sonnenbrillen wird als Spielform tatsächlich in der Regel erwähnt).
Sowohl sprechend als auch schweigend spielt sich eine Partie Consentacle gleich.
Der Mensch wählt eine Karte aus und das Alien tut es ihm gleich. Haben beide Spieler die gleiche Karte gewählt profitieren Beide von der unteren Aktion der Karte. Sind die Karten unterschiedlich, führen beide Spieler voneinander abweichende Aktionen oben auf der Karte aus. Da gibt es so schelmische Karten wie “Lecken”, “Küssen”, “Würgen” oder gar die “Penetration”. Eine Handlung per Karte führt zu Vertrauen. Das aufgebaute Vertrauen wiederum mündet in Befriedigung und diese Befriedigung sollte am Spielende bestenfalls gleich unter den beiden Liebes-Partnern verteilt sein. Macht Sinn. Trotzdem will der Funke sowohl bei der stillen als auch der offenen Variante nicht überspringen. Spricht man über die Karten folgt lediglich ein mechanisches Aufdecken der Kartenhand und die Abhandlung findet ebenso repetitiv statt. Da kommt weder Stimmung auf, noch die Thematik schimmert durch. Bei der stillen Variante ist schon mehr Reiz vorhanden, da man sich nicht sicher sein kann, ob der Partner erst nur leichte Berührungen austauschen will, oder direkt unter die Gürtellinie geht. Wurde man selbst in einer Runde mit Vertrauen überhäuft muss man im nächsten Zug geschickt wieder etwas davon zurückgeben. Da man auch die letzte schön illustrierte Karte irgendwann gesehen hat, kommt danach kein erneuter Widerspielreiz mehr auf. Zugegeben die gleichzeitige Kartenablage-Mechanik nutzen mehrere Brettspiele aber noch nie kam sie mir so stupide und sinnbefreit vor wie hier. Da hilft es auch nicht, dass man mit einem weiteren Kartensatz “Kinky”-Cards noch etwas mehr Würze ins Geschehen bringen wollte. Denn auch ein variantenreiches schlechtes Spiel bleibt am Ende doch eines – schlecht.
Ich persönlich verstehe Consentacle nicht als klassisches Brett- oder Kartenspiel. Vielmehr ist es ein Kunstobjekt und als Solches macht es auch etwas her. Wunderschöne Illustrationen von alten japanischen Comics und Mangas inspiriert und ein atemberaubendes Cover, welches man sich gut und gerne an die Wand hängen kann. Ein Kunstobjekt eben.
Bleibt noch die Frage offen, ob mich das Spiel Consentacle vollumfänglich befriedigt hat. Ein Gentleman würde sagen: Ich genieße und schweige. Ich hingegen halte es da recht dogmatisch. Meine Befriedigung suche ich mir dann doch fernab von Consentacle. Den 4450 anderen Kickstarter-Unterstützern wünsche ich dennoch viel Freude mit dem – für mich – sehr unbefriedigendem Kartenspiel. Vielleicht ist mein sexueller Horizont noch nicht ausgereift genug für einen Außerirdischen. Ich schmeiß mir jetzt einen ordentlichen Tentakel-Porno in den Blu-Ray-Player und lasse den lieben Gott einen guten Mann sein.